Samstag, 4. Januar 2020

„Loch, wo warst du?"

Am 4. Advent waren wir zur Einstimmung auf das herannahende Weihnachtsfest auf einem adventlichen Konzert in einer Kirche. Dort sang auch mein Arzt aus dem Krankenhaus mit fünf weiteren Männern mehrstimmig a capella auf ganz hohem Niveau mit.

Ich hatte ein wenig Gefallen gefunden an dieser Ausgestaltung der Sonntagnachmittage in der Adventszeit, nachdem meine Freundin zwei Wochen zuvor bei einem Konzert mit einem Chor und Orchester, dem mein Mann und ich mit unserer kleinen Tochter beiwohnten, gesungen hatte. Erstmalig Kontakt mit einem Chor, flüsterte sie uns zu: „Warum singen die so komisch?"

Also neue Chance für unsere kleine Tochter am 4. Advent , Diese Art von Gesang lieben zu lernen. Während sich unsere beiden Söhne auf dem Weihnachtsmarkt tummelten, kamen wir 20 Minuten vor dem Konzert in die gefüllte Kirche. Dass uns gleich ein musikalischer Ohrenschmaus bevorstünde, verrieten nicht nur die vielen Menschen in der Kirche, sondern auch die besondere Lichtinstallation in dieser.

Zum Glück fanden wir noch einen Sitzplatz in den vordersten Reihen , die extra für Familien mit kleinen Kindern reserviert waren. Sonst wäre es mit dem Sitzen und der adventlichen Besinnung auch schlecht gewesen bei den vielen Menschen in der Kirche. Endlich sitzend, freuten wir uns auf 90 Minuten musikalische Einstimmung auf Weihnachten.

Doch es kam, wie es kommen musste: „Papa, ich muss nötig Pipi!", flüsterte sie. Und das schon zu Beginn des Konzerts. Sie versuchte, Ihr dringendes Bedürfnis noch auszuhalten, aber diese Absicht gelang nur 10 Sekunden. Also ging mein Mann mit ihr mitten in einem Lied auf die Toilette. Nach der kurzen Ablenkung, konnte ich mich wieder ganz dem Gesang widmen und besinnen. Das Sextett sang aber auch wirklich schön und niveauvoll.

Doch, was war das? Plötzlich ein unüberhörbares Piepen, das den Gesang begleitete und da definitiv nicht hingehörte. „Tüt, tüt, tüt …" Und das schlimmste: Es kam von mir! Ich merkte gefühlt 5000 Paare Augen in meinem Nacken. Die Pumpe von meiner Magensonde, die hinten in der Tasche am Rollstuhl lag, meldete sich zu Wort, weil die Nahrung leer war.

Das wäre nicht so schlimm gewesen, wenn mein Mann die Pumpe hätte ausschalten und somit das Piepen hätte beenden können. Der war aber mit unserer kleinen Tochter zur Toilette. Nicht fähig, jemandem schnell mitzuteilen, wie die Pumpe auszuschalten war, bzw. dies selbst zu tun, blieb mir also nichts anderes übrig, als so zu tun, als höre ich das Piepen überhaupt nicht. Die Augen starr geradeaus auf die Sänger gerichtet. Mir war aber bewusst, dass alle mich anstarrten und als Quelle des störenden Nebengeräuschs ausmachten. Ich erahnte ihre Gedanken, die sich empört darüber wunderten, wie jemand die adventliche musikalische Besinnung mit einem penetranten Piepen stört. Wenn es ein Loch im Boden gegeben hätte, wäre ich dort am liebsten versunken.

Die Minuten, bis mein Mann mit unserer Tochter von der Toilette kam und das nervige Geräusch abstellte, wollten einfach nicht vergehen. In dieser Zeit habe ich „Blut und Wasser" geschwitzt. Mit dem Geräusch vertraut, dürfte mein Arzt aus dem Krankenhaus spätestens dann bemerkt haben, dass ich zu den Zuhörern gehörte. Auch da ein Profi. Versungen hat er sich jedenfalls nicht.

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